Eröffnung
Mit einem sächsischen Artikel aus Micha.links eröffnen wir unsere neue Publikation, die später einmal von einer "ordentlichen" Homepage abgelöst werden soll.
Wann kultivieren wir den Frieden?
(Die Linke Sachsen
BAG linke ChristInnen)
Verzichtbare Errungenschaften
Im Laufe der Geschichte haben Völker respektive ihre Mächtigen fortwährend den Krieg kultiviert – als ob Krieg eine zivilisatorische Errungenschaft sei.
Dass Archäologen fortwährend eingeschlagene Schädel finden, mag noch angehen. Wenn aber die lebendige Überlieferung, die Erzählungen und Mythen, den Krieg als etwas positives preisen, solange er nur gewonnen wurde, sollte uns schaudern machen.
Nicht nur der Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung versuchte ein ganzes Volk „kriegstüchtig“ zu machen, wozu ihm Gehirnwäsche aller Art -- durch Film, Rundfunk, bildende Kunst (A. Braeker), autoritäre Musik (R. Wagner) , tote und lebende Schriftsteller und Dichter (H. Lersch) -- zur Verfügung stand, sondern auch schon davor war Krieg eine der „schönsten“ Sachen auf der Welt. Wenn man den offiziellen Kriegsberichten glauben darf. Was wir keinesfalls tun sollten!
Die Verherrlichung des Krieges ist leicht, wenn lange genug niemand mehr einen konkreten1 Krieg durchlitten hat. Schon das Deborahlied (Richter 5) berichtet von gewonnenen Schlachten, als gäbe es nichts schöneres. Und wir hätten vor 1884 (William Wright) nie von der Existenz der Hethiter erfahren, wäre nicht David auf die Idee gekommen, seinen Offizier Uriah (2 Sam 23,23.39) in den sicheren Tod zu schicken um dessen Frau Batseba (Salomos Mutter und eine Stammmutter Jesu) ganz für sich zu bekommen. So kam die Geschichte in den Tanach.
Krieg schafft also nicht nur große sondern auch kleine Probleme aus der Welt – wenn man selbst genügend „groß“ ist. Nur muss man das menschliche Kanonenfutter dazu bringen, den Krieg „groß“ zu denken. Und herrlich und befriedigend und ruhmreich und so weiter.
Doch der Krieg wurde auch anders „kultiviert“ – in durchaus positivem Sinne.
Das auf Anregung von Henry
Dunant 1863 gegründete Internationale Komitee vom Roten
Kreuz (IKRK) besteht aus bis zu 25 Schweizer Staatsbürgern,
ist die älteste internationale medizinische Hilfsorganisation.
(Wikipedia)
Der Menschenverbrauch hatte mit der Industrialisierung des Krieges Ausmaße angenommen, die zu Defiziten sowohl in der Produktion als auch der Konsumtion2 führten. Aufgenommen wurde die daraus resultierende Genfer Konvention weltweit mit Dankbarkeit und Beifall als eine humanitäre Sache – die freilich nicht notwendig wäre, hätte man den den Krieg als kulturelles Übel besiegt.
„Schöne“ Kriegsbilder überall.
Wer auf der Berliner Museumsinsel den Pergamon-Altar betrachtet, sieht sieht einen Kampf der Götter gegen die Titanen. So alt ist also der Kriegskult. Nur, dass die Schöpfer dieses Kunstwerks den Kampf nicht als aktuelles Geschehen darstellen sondern als Erzählung aus archaischen Zeiten. Nun hatten die antiken Griechen durchaus verschiedene Auffassungen vom Krieg. In Sparta war er sehr in Mode, in Athen eher ein notwendiges Übel. Friedrich Schiller hat sich dazu als Jenaer Geschichtsprofessor eine Meinung gebildet.
Interessant fand ich seine Feststellung:
„Er (Lykurg, Gesetzgeber in Sparta) fing damit an, alle goldnen und silbernen Münzen zu verbieten und an ihrer Statt eiserne einzuführen.“
Als Kind fand ich selbst beim Herumkramen eiserne Eheringe meiner Urgroßeltern zusammen mit einer kleinen „Urkunde“, auf der stand: „Gold gab ich für Eisen. Eingeführt wurde dieser Spruch schon 1813, um die „Befreiungskriege“ gegen Napoleon Bonaparte zu finanzieren.
Und so kam er 1914 gerade recht, als es wieder gegen den „Erbfeind“ Frankreich ging, gegen den man ja in den letzten 100 Jahren beinahe immer gesiegt hatte. Die Urgroßeltern trugen ihre Eisenringe vermutlich mit Stolz. Damit waren sie in der Öffentlichkeit als aufrechte Patrioten erkennbar.
Und nun sollen wir also auch Stolz entwickeln und die Rüstungsindustrie ernähren helfen? Immerhin können wir heute gerne die Kriegsvorbereitung an der Supermarktkasse bezahlen.
Gerne?
Kriegerdenkmale bis heute
Wenn man im -- nicht ganz armen Sachsen -- heute durch die größeren Dörfer fährt, kann man an den Kriegerdenkmalen des 1. Weltkrieges die Namen der „gefallenen Helden“ sehen. Manchmal auf den Kirchhöfen, mitunter aber auch an zentralen Plätzen. Und einige Familiennamen existieren noch bis heute in den Gemeinden. Was hätten daraus für Familien werden können – ohne diesen sinnlosen Tod?
In der DDR wurden diese Denkmäler nur mäßig gepflegt. Die Alliierten hatten den preußischen Militarismus 1945 für schädlich und schändlich erklärt. Geehrt wurden die – überwiegend kommunistischen – Opfer des Faschismus, daneben die gefallenen Sowjetsoldaten und die Opfer alliierter Bombenangriffe (z.B. Dresden).
„Heldengedenken“ gab es nur für aktive – vorzugsweise kommunistische – Antifaschisten. Jedenfalls solange sie Parteidisziplin hielten.
Heute sind die Kriegerdenkmale von 1914 – 1918 wieder gut in Schuss. Es ist kultivierte Kriegserinnerung – mit durchaus mahnendem Beigeschmack.
Aber den Frieden zu kultivieren, ihn als schützenswertes Kulturgut zu bewahren, ist noch immer schwierig. Das wäre mal eine Errungenschaft, vergleichbar mit der Erfindung des Rades, der Entdeckung der Röntgenstrahlung oder dem Flug in den Kosmos. Eine würdige Aufgabe für würdige Menschen, die sich nicht einfach mittels Gehirnwäsche unterbuttern lassen. Eine zivilisatorische Errungenschaft, die uns endlich über die Lebensweise von David und Goliath, Deborah und Nebukadnezar und meiner Urgroßeltern erheben würde.
Die Pest, die Pocken und Covid 19 haben wir überwunden.
Da sollte der einfache Friede als Kulturgut doch machbar sein.
1B. Brecht: „Die Wahrheit ist konkret.“
2Schweizer Superreiche haben ab 2013 beinahe geschlossen die Volksabstimmung über ein bedingungsloses Grundeinkommen unterstützt, um den Absatz ihrer Produktion zu sichern. Gescheitert ist diese Abstimmung vermutlich am noch tief verwurzelten protestantischen Arbeitsethos der Schweizer. Schweizweit fand die Vorlage dennoch 23,1% Zustimmung. Wer in Deutschland bundesweit 23,1% Zustimmung hat, gilt schon als ernst zu nehmende politische Konkurrenz – wenn nicht gar Gefahr.
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